Silovisionen
1998 stand wieder eine eidgenössische Volksabstimmung an, welche wie jene von 1929 grossen Einfluss auf das Müllereigewerbe hatte. Mit der deutlichen Mehrheit von knapp 80 Prozent bejahte das Schweizer Volk die Streichung des Getreideartikels aus der Bundesverfassung. Damit entfällt die Haltung von Pflichtlagern. Die Silos der Neumühle werden allmählich geleert und verlieren dadurch ihre angestammte Funktion.
Was macht man mit zwei, über 40 m hohen, leeren Getreidesilos? Dank den laufenden und umsichtigen Unterhaltsarbeiten, die Fassaden wurden 1986 neu gestrichen, ist der siebzigjährige Beton in einem einwandfreien Zustand. In all diesen Jahren wurden die hellblauen Silos mit ihrer ausdrucksstarken Silhouette zu einem vertrauten Stück von Baar. Viele Bürgerinnen und Bürger, Passanten und Bahnbenützer orientieren sich an den Bauwerken und fragen sich oft, wie es im Innern dieser Silos wohl aussehen mag. Diese Frage beantworten die neuen Aufnahmen von G. Baselgia in der Fotoausstellung zum 70 jährigen Silojubiläum.
Die vorhandenen Qualitäten setzen ein umfassendes Suchen nach neuen Nutzungen in den bestehenden Umfassungsmauern in Gang. Könnten mit eingezogenen Böden und einzelnen herausgetrennten Scheidewänden aus den Silozellen Lagerkammern für Kunst oder kleinformatiges Sammelgut angeboten werden? Könnte nach dem Wiedereinführen der Zeppeline hier mal die Andockstelle für Baar sein? Oder müsste über den vielen, betonierten und geschlossenen Speicherzellen ein Spielcasino thronen?
Gründliche, interdisziplinäre Abklärungen führten zum Schluss, dass es formal, statisch, ausführungstechnisch, konstruktiv sowie wirtschaftlich möglich und sinnvoll ist, die bestehende Struktur umzubauen. Die Nutzung soll der zentralen Lage im Ortskern und dem nahen Bahnhof entsprechend, den wohnenden, arbeitenden, einkaufenden und freizeithabenden Menschen dienen.
Eingebaute Geschossdecken, rausgeschnittene Trennwände, innenliegende Isolationen werden zusammen mit den bestehenden Stützen ideale Voraussetzungen für den Einbau von Wohnungen, Studios, Lofts, Ateliers, Büros und Praxen schaffen. Besondere Beachtung werden wir der Belichtung schenken. Die Fensteröffnungen werden so angeordnet und detailliert, dass die Klarheit des monolithischen Charakters der beiden Siloschafte erhalten bleibt.
Im Erdgeschoss sollen vorwiegend öffentliche Nutzungen entstehen: Läden und Gewerbe. Ein Verteilboden (Dachgeschoss) mit den vorhandenen, grosszügigen Befensterungen soll erhalten bleiben für einen Restaurationsbetrieb mit Aussichtsterrasse. Die Baarerinnen und Baarer werden mit ihren Gästen von hier oben ihren Ort, ihre Umgebung und den herrlichen Weitblick geniessen können.
Die Umgebung der Silos wird sich wie das ganze Bahnhofgebiet in den nächsten Jahren stark verändern: Die Parkplätze werden in einer Tiefgarage unter dem Hof angeordnet, ein neues Gebäude im Hof wird die Anlieferung der benachbarten Coop überdecken. Bäume und Pflanzen werden das dichte Fusswegnetz zur Dorfstrasse, zum Kreuzplatz, zum neugestalteten Bahnhofplatz und zum Zentum Gotthard säumen. Die Nachbarschaft von Neubauten und den alten Zeugen aus der Baarergeschichte, das ehemalige Mühlegebäude mit den Silos, die vielfältigen Nutzungen, die neuen Bewohnerinnen und Bewohner, die Besucherinnen und Besucher werden mithelfen, die Neumühle, das Gebiet Poststrasse und Bahnhof zu einem attraktiven und lebendigen Ortsteil zu machen.