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Das Quartier

Nachbarschaft St. Michael Zug
Nachbarschaftsmöhli 20. Mai 2006

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn

Endlich ist wieder die Zeit der Gärten, Aussenplätze, Terrassen, und Balkone gekommen. Nach der langen Vegetationspause freuen wir uns wieder an den Knospen, dem hellen Grün der Blüten und all den spriessenden Blumen.

Wir in der Nachbarschaft St. Michael sind beschenkt mit einer Vielzahl von wunderbaren Blumen, Sträuchern, Kräutern und Bäumen. Eine wahre Farbenpracht, welche sich jedes Jahr wieder offenbart und sich um unsere Wohnungen entfaltet.

Die Gärten erweitern wieder unseren Lebensraum.

In den Gärten können wir viele unserer Fantasien und Wünsche erfüllen.
Die einen lieben die Blumen, die anderen das Gemüse, manche lieben es sehr geordnet,andere lassen der Natur den freien Lauf.
So entsteht eine wunderbare Vielfalt, wie wir Menschen eben sind.

Mit dem Herauskommen aus den Häusern und Wohnungen, aus den Höhlen ergibt sich auch wieder mancher Kontakt zum Nachbarn. Sei es beim Wischen der Wege, beim Jäten der Grenze entlang. Ein Schwatz wir möglich.
Die Gärten sind es die uns immer wieder bewusst machen, dass es Nachbarn gibt.
Oder die Gärten sind die besten Animatoren für eine Nachbarschaft.

Dass der Garten neben all den Freuden auch eine Art der Arbeit ist, das wissen wir alle.
Wir wissen auch, dass wir hier die Gesprächskultur mit Nachbarn ganz konkret, ganz präzise üben, pflegen können.

Wir wissen, dass es manchmal nicht einfach ist zu begreifen, wieso mein Lieblingsstrauch, beim Nachbarn nicht die gleichen Glücksgefühle auslöst.
Und da unsere Nachbarschaft am Hang des Zugerbergs liegt, sind die Höhen und Orte von Sträuchern und Bäumen zu oft ein Thema, das die Nachbarschaftsliebe etwas strapazieren kann.

Zum Glück gibt es im Gesetz betreffend Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches für den Kanton Zug einen §102,der versucht viel zu regeln.
Manchmal reicht dies auch.

Wir sprechen von der Nachbarschaft, das heisst vom Quartier.
Es ist wesentlich geprägt durch die Art und Weise der Bepflanzung, oft stärker als durch die Art der Bebauung, der Architektur.

Schliessen Sie mal die Augen und fahren Sie in Gedanken von Oberwil her in die Stadt rein. Sind es besondere Bauten, welche Sie sehen? Oder sind es nicht die vielen Bäume und Sträucher, welche so ein wunderbar langes Stadttor bilden, generieren und dem Ankommenden einen freundlichen Empfang bereiten.
Die Bäume stehen nah am Strassen- und Trottoirrand und reichen weit in den Strassenraum.

So ist es in jedem Quartier die Art der Gartengestaltung und Planzungen sind nicht nur eine Sache des einzelnen Gebäudes, sondern jeder Garten trägt einen wesentlichen Beitrag mit zur Stimmung im Quartier.

Was sonst ausser der Gebäude, der Strassen und Wege und eben der Gärten erzeugen zusammen das Erscheinungsbilds des Quartiers?
Der Begriff des Vorgartens ist in Vergessenheit geraten, oder er wurde oft den Parkplätzen geopfert.
Der Vorgarten ist ein Bereich, der ganz klar zum Gebäude gehört, also privat ist, doch er ist einsichtig, ist nur durch einen Zaun, durch niedere Hecken oder durch lockere Sträucher  vom Trottoir oder der Strasse getrennt.

Wir Quartierbewohner gehen vorbei, sehen rein, wissen welche Gartenkultur die Bewohner pflegen, lernen so  unsere Nachbarn kennen.
Wir können uns freuen, wir können uns über die Unordnung ärgern, wir können über den seltsamen Geschmack lästern.
Und vor allem, wir befassen uns mit dem Nachbarn, er ist uns nicht gleichgültig, und so entsteht eine Nachbarschaft, ein Quartierleben eben.

Es ist sehr schwer, Leute im Quartier kennen zu lernen wenn man keine Vor- oder Schulpflichtige Kinder hat oder man hat einen Garten.
Spontane und neue Kontakte sind sonst immer seltener.

Ein Quartierleben entsteht nicht einfach so, es braucht Anstösse dazu so wie heute beim Nachbarschaftsmöhli. Mit der Organisation und der Art der Vorgärten und Gärten kann sehr viel dazu beigetragen werden.


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Jeder für sich, streng geordnet. Langweilig, man begegnet wenig Neuem. Lebensraum begrenzt. Sehe wenig nach aussen



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Zusammen an aussen denken und jeder ist ja auch immer wieder aussen. Überall Begegnungen.

Der Erlebnisraum wird wesentlich vergrössert, der Anblick aus dem Haus erweitert, verlängert.

Und was der ganz grosse Vorteil neben dem erweiterten Lebensraum ist, das ist die Sicherheit.

Das Quartier, die Strasse ist nicht einsam und verlassen, sondern die Augen der Nachbarschaft sind auch auf der Strasse und die Nachbarn sind die besten Aufpasser, besser als jeder Polizist oder jede Sicherheitspatrouille.

Klar wissen die Nachbarn dann auch mehr, aber was macht das?

Und was müssen wir dann eigentlich verstecken, abdecken?

Wenn wir mehr voneinander wissen besteht auch die Möglichkeit, einander besser zu kennen, zu verstehen, vielleicht mal einander zu helfen, besser zu begreifen.

So entsteht eine Nachbarschaft, das heisst Lebensqualität.

Es ist kriminaltechnisch bewiesen, das in offenen, durchlässigen Gebieten viel weniger Untaten begangen werden, als in den abgeschotteten, abgegrenzten Quartieren. Die Augen gehören auf die Strasse, von allen Seiten.

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Konkret heisst das Abwechseln, Teile des Gartens die geschützt sind für den individuellen Gebrauch (Es gibt ja auch verschiedene Typen von Nachbarn) und Teile die Einblicke hinein und hinaus offen lassen.

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Wir müssen auch unseren permanenten Gwunder stillen, lieber im Quartier als im Fernsehen.

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Durchgänge.Einblick.Ausblick.Durchschlupf. Andere Wege.Möglichkeiten.
Art der Ausgestaltung ist sehr gross, einfach nicht abschotten, nicht zumachen.

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Es geht auch um die Anordnung der Zugänge, der Erschliessung vom Aspekt der Sicherheit, des unbeschwerten Nachhausekommens. In der Nacht ist ein offener, vielleicht sogar von der Strassenbeleuchtung erleuchteter Zugang hilfreich. Büsche, Hecken, Mauer. Abdecken hat eben auch seine andere, eben die Schattenseite. Es kommt auf die geschickte Mischung an, das sowohl als auch.

Ein anderer Aspekt kommt auf diesem Bild sehr gut zur Geltung.
Grosse Bäume haben eine bessere Wirkung auf uns. Sie berühren uns. Wir haben auch Respekt, schliesslich sind sie auch schon lange da.

Doch auch Bäume sind nicht nur Anlass zu Freude. Besonders wenn hinter dem Baum ein friedlicher See liegt...
Und Seeblick ist heute fast alles (meinen einige).

Doch wenn wir uns nicht bemühen werden unsere Kindeskinder das Erlebnis der alten, grossen Bäume kaum mehr haben. Wissen Sie Orte wo in den letzten Jahren grosswerdende Bäume gepflanzt wurden?
Und auch das Leben eines Baumes ist begrenzt, wir müssen also auch heute neu Bäume Pflanzen.
Einführung zum ZGB, hin oder her, wir müssen mit den Nachbarn zusammen sitzen, uns für eine Pflanzung gegenseitig absprechen und gegenseitig zustimmen. So können Abstände unterschritten werden.
Das Riesenvolumen von Bäumen hilft auch das Volumen der Architektur in angenehme, wohltuende Proportion zu bringen.

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Ein Baum ist auch Aussicht. Die Veränderung über das Jahr, die Veränderungen im Tagesablauf, das Leben der Vögel. Ein grosses Geschenk, ein grosses Erlebnis.  Aber es braucht Geduld, bis ein Exemplar sich so entfaltet hat.
Es ist ein Werk für die Nachkommen, wenn wir Bäume pflanzen.

Geduld ist bei jedem Garten angesagt. Wir müssen ihm Zeit geben sich zu entfalten, sich zu entwickeln.
Der Garten kann ein guter Lehrmeister in Sachen Geduld sein, eine Tugend die wir immer weniger pflegen, doch der Lohn ist gross, wenn doch z.B die Pflanzen im Kies ohne Humus besonders anstrengen müssen, entfalten sie besonders schöne Blüten, sie wollen sich ja auch vermehren und im nächsten Jahr wieder kommen.

Geduld braucht es auch bei der Auswahl der Materialien, es lohnt sich, die Materialien auf wenige zu beschränken, die Vielfalt und die Abwechslung. Auch Material soll altern können, sich verändern, die Zeit mitmachen. Die Kercher können ruhig im Keller bleiben. Flechten, Moose werden so nur zerstört und damit eine grosse Kleintierwelt. Patina hat eine ästhetische Qualität (ähnlich wie bei den Gesichtern, sie verändern sich).

Auch hier ein Beispiel von Verzahnung von privatem und öffentlichem Bereich. Das Auge kann hier spazieren geführt werden eine Augentreppe neben der Menschentreppe. Der Garten beginnt an der Strasse, nicht erst oben am Hang.

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Jeder Abbruch schmerzt, da ein Stück Vergangenheit, Heimat verloren geht. Doch ein Abbruch ist immer auch ein Neuanfang.
Eine Chance für neue Ideen, neue Möglichkeiten und in unserer Nachbarschaft die Chance, dass mehr Menschen von dieser wunderbaren Lage profitieren können.

Hoffen wir, dass heut die Wohnung nicht nur innen, einseitig betrachtet wird, sondern immer auch daran gedacht wird, dass die neuen Bewohner auch Quartierbewohner werden. Und das wohnliche Quartier nur entstehen kann, wenn die Beziehung der Bauten mit ihren Gärten und Vorgärten das Quartier generieren und die Stimmung bestimmen.

Kümmern wir uns um die Stimmungen im Quartier und helfen wir mit, dass wir sie nicht den Sicherheitsleuten überlassen müssen.


Ruedi Zai 20. Mai 2006